Hate is what?
1984 gründete Gregory John McCormick, genannt Itchy, in Detroit eine Band, die er nicht ohne Grund SHOCK THERAPY nannte. Gleich auf Anhieb schuf er den Klassiker "Hate Is A 4-letter Word" und erlangte dadurch Unsterblichkeit. Praktisch jedes Jahr tourte Itchy durch Westeuropa, ein Großteil der Gigs geht in Deutschland über die Bühne.
Vor dem Auftaktkonzert seiner European-Tour 93 in der Gelsenkirchener Kaue nutzte ich die Gelegenheit, ihn zum Gespräch zu bitten. Der Sänger, Gitarrist und Pianist verbrachte viele Jahre seiner Jugend in verschiedenen Psychiatrien, seine dort gesammelten Erfahrungen flossen nicht nur in den Bandnamen, sondern ebenso in seine depressiven Lyrics und die Musik ein. Nur hatte dafür in den Staaten niemand Interesse.
Das amerikanische Publikum ist völlig leer. Sie stehen da und glotzen dich an. Niemand gibt sich die Mühe, in die Musik einzutauchen. Die Europäer, vornehmlich die Deutschen, sind da ganz anders. Sie konzentrieren sich auf das, was abgeht; sie wollen die Musik nicht nur hören, sondern auch verstehen.
Also tat er das, was vordem auch schon JIMI HENDRIX tat: Er ging nach Europa. Nicht nur sein Dancefloor-Klassiker Hate Is A 4-letter Word machte ihn dort zur Kultfigur; sein Industrial-Techno-Punk-Sound und seine durchaus eingängige Stimme ließen sowieso den Eindruck erwecken, SHOCK THERAPY sei eine britische Band. Die folgenden Jahre verbrachte Itchy fast ausschließlich in den europäischen Metropolen. In die Staaten ging er nur, um neue Alben in seinem eigenen Studio aufzunehmen - und das im Alleingang. Für die anstehenden Tourneen suchte er sich Musiker aus, die er gerade kennengelernt und von denen er jeweils den Eindruck hatte, daß sie seine Ideen verarbeiten konnten. Die Zeit in Europa betitelt Itchy als The Dark Years und meint damit weniger seinen Düsterpop in dieser Periode, sondern sein durch Drogen und Selbstmordgedanken geprägtes Leben:
Ich habe alles genommen, was zu bekommen war, hauptsächlich LSD. Es gab in dieser Zeit nicht einen Tag, der ohne Drogen verlief. Ich habe wirklich jeden Pfennig dafür ausgegeben.
Seine Texte lassen dies durchaus glaubhaft erscheinen. 1991 dann der Schlußstrich, denn es gab nur noch zwei Alternativen: entweder so weitermachen und Jimi guten Tag sagen oder keine Drogen mehr und mal schauen, was das Leben nach 26 Jahren noch so zu bieten hat. Itchy ging zurück nach Amerika, heiratete dort, baute sich mit seiner Frau ein Häuschen in Michigan und suchte sich eine Band zusammen, die erstmals in der Geschichte von SHOCK THERAPY diesen Namen auch verdient. Dann begann eine sehr produktive Phase, die bis heute anhält und in der er neues Material schrieb und altes überarbeitete. Seine Musiker Cliff Hill, Eric Hoskins, Mark Chudy und den ex-PLASMATICS-Gitarristen Wes Beech lobt er ohne Ende; er braucht feste Bezugspersonen in dieser Zeit. Auf seinen Kult-Hit angesprochen, reagiert Itchy genervt, ja fast angeekelt:
Ich hasse diesen Song, all die Sachen aus der Anfangszeit sind Kinderkram, die hätte ich eigentlich auch schon als Fünfjähriger(!) machen können. Nur, die Zuschauer kommen natürlich auch wegen der alten Sachen in unsere Konzerte. Um einen Kompromiß zu finden, haben wir Hate Is A 4-letter Word neu intoniert. Es klingt jetzt viel härter.
Überhaupt scheint der Mastermind darauf zu pochen, das Image des Harten, Bösen und Aggressiven zu verkörpern, was ihm auf der Bühne auch mühelos gelingt. Das Konzert ist eine gelungene Mischung aus sämtlichen Epochen, die Gruppe harmoniert prächtig, und Irrwisch Itchy fetzt über die Bühne, wälzt sich auf dem Boden, stopft sich ab und zu mal das Mikro in den Mund, um seine berüchtigten Tierschrei-Imitationen loszuwerden, und singt zum krönenden Abschluß - na, was wohl? -, aber das so richtig schön hart, böse und aggressiv.