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Ein nettes, umgängliches Kerlchen lädt zur Lesung
Nummer
21
Jahr
1995
Datum
----.--.--
Written By
Birgit Althoff / Thomas

 

Ein nettes, umgängliches Kerlchen lädt zur Lesung
A Night of Underground Culture war das Motto einer Veranstaltung anläßlich der Veröffentlichung des aktuellen Gothic-Magazins und der dazugehörigen Compilation. Zur Feier des Tages unterhielten Liveperformances und Lesungen. Diesen Rahmen nutze Itchy W. Christ, Kopf und Sänger von SHOCK THERAPY, um Kostproben aus seinem Buch Psycho The Clown zum besten zu geben. Unterstützt wurde er dabei von den zwei neuen Percussionisten seiner Band. Itchy selbst untermalte seine Vorträge mit dem Keyboard und im Hintergrund erschienen per Diaprojektor einige seiner Gemälde. Ein unterhaltsamer, zuschauerckompatibler Vortrag - sofern man Itchys Texte als unterhaltsam kategorisieren kann.
Nun wissen also alle, daß Itchy ein Buch geschrieben hat...
Zwei

verbessert mich selbiger.
Psycho The Clown und noch eines voll wüster Kurzgeschichten, ein paar davon habe ich vorhin auch eingeflochten. Außerdem sind meine ganzen Bilderdrin. Und noch eine 6tägige, fotographische Scheiß-Studie...

In Farbe ?
Selbstverständlich, ich habe meinen Körper dafür extra die füchterlichsten Dinge angetan, um möglichst gute Ergebnisse zu bekommen!

Da sind wir aber alle gespannt. Begutachten können wir diese Komposition geistiger-körperlichen Ausscheidungen des Künstlers vermutlich im Mai, falls dem Übersetzer bis dahin nicht allzuoft schlecht wird. Aber zurück zu Psycho. Warum mußte die Hauptfigur unbedingt ein Clown sein ? (Ich hasse Clowns !) Voller Überzeugung erwidert Itchy
Aber ich BIN einer! Okay, das hat schon einen psychologischen Hintergrund, ich hätte sonst auch keine Gelegenheit, meine psychologischen Kenntnisse anzubringen, da mir sowieso niemand traut. Aber ich habe extra eine Figur gewählt, der die Leute Vertrauen schenken würden, insbesondere kleine Kinder. Und dann packe ich die Leute mit eben dieser Figur bei ihren übelsten Ängsten.

Zur Information: Psycho ist ein Päderast übelster Sorte und obendrein noch nekrophil (d.h. besonders Leichen haben eine sexuele Anziehungskraft auf ihn).

Gleichzeitig mit den beiden Büchern soll auch die neue CD von SHOCK THERAPY erscheinen, wobei es so nach und nach mit einer Interessenverschiebung Itchys von der Musik zum Bücherschreiben zu rechnen ist, weil ihm davor graut, irgendwann ein 45 jahre alter Punk Rocker zu sein. Über das Wann und Wie eines solchen Wechsels ist er sich ber noch nicht im klaren, zumal sich die Bücher auch ordentlich verkaufen sollten, um davon leben zu können. Aufgrund seiner Erfahrung im Bereich Musik, wo er bisher nie kompromißbereit zugunsten des Erfolges war, geht er aber zuversichtlich davon aus, daß sich dieses Konzept auch auf Bücher anwenden läßt und beruft sich dabei auf Namen wie Charles Bukowski und Henry Miller.

Aber noch gibt es das eine oder andere musikalische Produkt von SHOCK THERAPY zu erwarten, beispielsweise im Mai. Die Besetzung der Musiker ist, mal abgesehen von den beiden Percussionisten, die alte geblieben. Daß in den vergangenen Jahren so viele Musiker rausgeschmiessen wurden, schreibt Itchy ohne Umschweife seiner eigenen Sturheit zu und der Tatsache, daß er im Studio nun mal am liebsten alleine verkelt. - Warum auch nich, schließlich stammt das ganze Material ausnahmslos von ihm. Wer könnte es also adäquater umsetzen als er selbst ? Kam jemand zu sehr von diesem vorgeschriebenen Wege ab, wurde er eben gefeuert. Die aktuelle Besetzung hält Itchy allerdings zum einen für eine großartige Live-Band (das werden wir - im Mai wann sonst !? - auf der vom INTRO präsentierten Tour ja sehen ! ... Termine folgen in den nächsten Ausgaben) und preist sie zum anderen als "die beste Band die ich jemals hatte.". Abgerundet wird das multimediale Projekt mit vorerst einem Videoclip unter der Regie von Jörg Buttgereit.

Die gesamten Inhalte des Gesprächs (die katholische Kirche; das dauernde Geschrei der Menschheit nach einem Führer; ob das Leben wirklich nur beschissen ist, und wann es Zeit ist, erwachsen zu werden; Genisis P. Orridge von Psychic TV; Blixa Bargeld; geschlossene psychatrische Anstalten; ob die Revolution in Amerika wirklich bald stattfindet etc. etc.) wiedrzugeben, würde zweifellos den Rahmen eines solchen Berichts sprengen. Ein Bedürfnis ist es mir aber, ein paar Worte zur Person Itchy W. Christ zu sagen. Alten Berichten zufolge hatte ich erwartet, einen durch und durch grogenverseuchten, unzurechnungsfähigen, gemeingefährlichen Irren zu treffen. Er selbsr erwähnt bei allen möglichen Gelegenheiten, daß verschiedenste Leute Angst vor ihm haben, ihm nicht über den Weg trauen - das mag wohl auch so sein. Aber alles, was man diesem Mann meines Erachtens nach vorwerfen kann, ist seine Ehrlichkeit. Gut, es kommt nicht allzu häufig vor, daß jemand tatsächlich sagt, was er denkt, und auch noch meint, was er sagt. Soetwas schockiert, DER Effekt ist ja bekannt. Insbesondere, wenn diese Ehrlichkeit noch gepaart ist mit einem Schuß vermeintlichen Größenwahns, der sich aber letztendlich auch nur als das unbedingt erforderliche Selbstvertrauen entpuppt, das man wohl braucht, um seine Ideen vor Publikum zu präsentieren. Auf die Gefahr hin, daß jetzt ein sorgsam aufbereitetes Image zum Umsturz gebracht wird: Itchy ist auch nur ein nettes, umgängliches Kerlchen. Und wenn man keine Angst hat, sich mit ihm auseinanderzusetzen bzw. zu beschäftigen, tut er auch nix ...
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